Geschichte der Juden in Mecklenburg
Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Dieser Tag ist in Deutschland seit 1996 Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Wir nahmen dies zum Anlass, am 27. Januar 2006 unsere ständige Ausstellung "Jüdische Geschichte in Mecklenburg" zu eröffnen.
Die Ausstellung zur Geschichte der Juden in Mecklenburg stellt einen wesentlichen Teil in der Gesamtkonzeption der Jugendbildungsstätte dar und hat ihren Platz in dem historischen Synagogengebäude.
Die Geschichte der jüdischen Gemeinden in Mecklenburg lässt sich bis in die Zeit der deutschen Ostexpansion im Mittelalter zurückverfolgen. Über die Jahrhunderte hinweg lebten deutsche und jüdische Familien nebeneinander in den Städten und auf dem Lande.
Bildliche Darstellungen aus mehreren Jahrhunderten verdeutlichen die Geschichte der Juden seit dieser Zeit. So sind wir in der Lage, Kopien von Darstellungen antijüdischer Legenden aus dem Stift Heiligengrabe aus der Zeit um 1520 sowie Darstellungen des großen Prozesses gegen die Juden aus Sternberg im Jahre 1492 in der Ausstellung zu präsentieren.
Durch die Unterstützung unseres Vorhabens seitens des Museums Waren, ist es uns möglich, Teile einer in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Dachboden der Warener Synagoge entdeckten Bündels alter jüdischer Schriften, eines so genannten Genisa-Fundes, der für die Geschichte der jüdischen Gemeinde des Müritzgebietes von außerordentlicher wissenschaftlicher Bedeutung ist, unseren Besuchern zu präsentieren.
Der Verein zeigt persönliche Dokumente und eindrucksvolle Sachzeugnisse aus der bis in die unmittelbare Gegenwart reichenden Geschichte mehrere jüdischer Familien aus der Region in der Ausstellung.
Flucht- und Leidenswege jüdischer Mitbürger aus den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts werden durch persönliche Briefe und Unterlagen der Familien Bernhard aus Rostock/Waren und durch eine für die Ausreise angefertigte, nicht benutzte Reisetruhe der Familie Wunderlich aus Röbel eindrucksvoll und nachempfindbar ausgestellt.
Der Verein arbeitet auch weiterhin daran, durch den Erwerb oder Nutzungsvereinbarungen zusätzliche Unterlagen und Exponate zur Dokumentation von Spuren deutsch - jüdischer Geschichte in Mecklenburg zu erschließen.
Die Ausstellung zeigt wichtige Themen des gemeinsamen Lebens und Arbeitens der deutschen und jüdischen Bevölkerung:
- Jüdische Siedlungs- und Wirtschaftsstruktur im Mittelalter
- Hostienfrevel - Legenden in der anbrechenden Neuzeit
- Jüdische Wiederansiedlung
- Jüdische Emanzipation
- Industrielle Entwicklung im kleinstädtischen Raum
- Familiengeschichte an biographischen Beispielen
- Drittes Reich und Holocaust
Schriftliche Dokumente und ausgewählte Exponate informieren zu diesen Schwerpunkten. Zusätzliche Informationen werden als Begleitblätter, Broschüren und im Rahmen auf Schule und Erwachsenenbildung ausgerichteter Veranstaltungen angeboten.
Im Mai 2003 und im August 2005 besuchten die Eheleute Ilana und Jacques Caubel aus Toulouse die Stadt Röbel an der Müritz. Ilana Caubel, geb. Engel, ist eine der wenigen direkten Nachfahren von jüdischen Einwohnern der Stadt. Sie wollte der Geschichte ihrer Familie nachgehen und hatte so Kontakt zum Verein Land und Leute e.V. aufgenommen. Frau Caubel überreichte uns einen Lebenslauf, ihres Vaters Dr. med. Herbert Engel, den er als Rentner 1976 in seinem Wohnort Ra\'anana, einer Kleinstadt bei Tel Aviv in Israel, verfasst hatte.
Der Weg eines jüdischen Arztes im Deutschland der Weimarer Republik, der Anfangszeit der Nazidiktatur, der Emigration und des schweren Neubeginns im britischen Mandatsgebiet Palästina und in Israel erscheint vor uns. Dr. Herbert Engel verstarb 1992 in Israel. Er hat seine Geburtsstadt nie wieder betreten. Auch sein Leben und das seiner Vorfahren soll in der Ausstellung dem Vergessen entrissen werden.
So ist der Name der Jugendbildungsstätte „ENGELscherHOF“ eine Reminiszenz an die Familie Engel, stellvertretend für alle ehemaligen jüdischen Bewohner Röbels.
Der Verein ist sehr an weiteren Zeugnissen des Zusammenlebens mit mecklenburgischen Juden, an Erinnerungen von Zeitzeugen, Foto usw. interessiert.